Rohwedder
Ist eine vierteile Dokumentation (von Netflix selber produziert) und befasst sich mit dem Menschen Rohwedder, mit seinem Mord, den Hintergründen dazu und in diesem Zusammenhang auch mit der Geschichte der BRD und der ehemaligen DDR.
Ganz zu Beginn habe ich den Eindruck gehabt, dass Netflix keine Doku gedreht hat, sondern eine Art Spielfilm. Musikuntermalung, Einblendungen und einige Kameraperspektiven und Effekte ließen mich zunächst schlimmes erahnen.
Nachdem allerdings die ersten Interviewpartner gezeigt wurden (unter anderem ehemalige Mitarbeiter von LKA, BKA und einige zur damaligen Zeit aktiven Politiker) war mir ziemlich schnell klar, dass hier nicht auf Hollywood gemacht wird, sondern das ganze Thema Rund um Rohwedder und die Treuhandanstalt ernsthaft, glaubwürdig und durchaus gut recherchiert dargestellt wird.
Der "Hollywood-Flair" zieht sich zwar immer wieder durch die vier Folgen (ca. 40 Minuten pro Episode) - beispielsweise wenn der Tatort bei Nacht gezeigt wird - allerdings nie so, dass man das Gefühl hat, die ganze Nummer driftet ins kitschig-lächerliche ab.
Die Dokumentation schafft es sowohl den Tathergang, als auch Opfer, Motive und Täter nicht in Schubladen zu stecken, sondern macht es möglich auch andere Sichtweisen und unübliche Vorgänge eine Daseinsberechtigung zu geben. - So wird beispielsweise vermutet, dass auch ehemalige Stasi-Mitarbeiter in den Mordanschlag verwickelt sein könnten. Und dies, obwohl damals am Tatort ein Bekennerschreiben der RAF gefunden wurde...
Wer sich nicht das erste Mal mit der deutschen Geschichte, der RAF und Herrn Rohwedder beschäftigt, der wird Gesprächspartner und Auszüge aus der Geschichte (es wird stellenweise bis zum zweiten Weltkrieg zurückgeblendet) definitiv wiedererkennen.
Wer sich zum ersten Mal mit dieser Thematik beschäftigt wird viel interessantes erfahren. - Meiner Meinung nach auch eine Doku-Reihe die in den Geschichtsstunden der Schulen gezeigt werden kann.
Selbst ich - der sich zur ersten Kategorie zählt - konnte noch etwas lernen. Ich war von den Interviews mit ostdeutschen Menschen überrascht, die damals (Ende der 80ziger / Anfang der 90ziger-Jahre) ganz offen in die Kamera gesagt haben, dass sie Aufgrund der wirtschaftlichen Situation, der Arbeitslosigkeit und der Zukunftsangst mit Selbstmordgedanken und Mordgelüsten spielen.
In meinen Augen eine sehr gelungene Dokumentation mit vielen Zeitzeugen, Tonaufnahmen und Dokumenten, die eine Stück deutsche Geschichte erzählen. 10 / 10 Punkte.