Meine Güte, ich habe in letzter Zeit so viele Filme gesehen und über keinen was geschrieben...mal sehen ob ich das nachholen kann
Carrie
Gestern im Fernsehen erwischt (mal wieder) und (mal wieder) zu der Kenntnis gekommen: Trotz der vielen Seltsamkeiten (wobei viele mehr der Sache geschuldet sind das der Film aus den 70ern stammt) und Schwächen die der Film mit sich bringt ist „Carrie“ nicht nur die vielleicht beste Stephen King Verfilmung, sondern auch eine der besten Horrorfilme aller Zeiten ist.
Kurzer Storyabriss: Carrie White ist eine ziemlich gequälte junge Seele. Ihre Mutter ist eine religiöse Fanatikerin dessen Umgang mit ihrer Tochter bestenfalls als „psychopathisch“ zu bezeichnen ist. In der Schule wird sie entweder gemieden oder verspottet, sowohl von den fiesen Mitschülerinnen als auch einigen Lehrern. Und dann erlebt sie auch noch (von der Mutter unvorbereitet) ihre erste Periode im Sportumkleideraum als ein überaus traumatisches Erlebnis.
Nach den emotionalen Grausamkeiten dieses Ereignisses (und der Bestrafung der jungen Täterinnen) jedoch fangen die Dinge an sich zu verändern. Einige fangen an Mitleid zu empfinden, andere fühlen sich ungerecht bestraft und schmieden gemeine Rachepläne an ihr. Und Carrie selber entdeckt, das sie aufeinmal telephatische Kräfte besitzt, die durch ihren kaputten emotionalen Zustand verstärkt zu werden scheinen und am Ende zu einem geradezu apokalyptischen Desaster für alle Beteiligten führen wird.
Zunächst das Negative: Der Film ist unverwechselbar ein Produkt der 70er, was in der Inszenierung einiger Szenen als auch der teils fürchterlichen Musikuntermalung die Atmosphäre des Films ins lächerliche zu ziehen scheint. Das macht sich auch in der Darstellung der durchaus handlungsrelevanten Sexualität bemerkbar, bei der man sich schon gleich am Anfang des Films dank einer langen, stilisierten Kamerafahrt durch eine Damenumkleide voller splitternackter junger Mädchen samt passend-unpassender Musik in einen seichten Softcore Porno versetzt fühlt. Und ich weiß nicht was mit John Travolta, hier zu sehen noch vor seinem Karrieredurchbruch als junger Rowdie und Freund der „Queen *****“ des Films, aber sein überdrehtes, irgendwie mieses Schauspiel hier wird durch seinen heutigen Star-Status umso irritierender, trotz seiner vergleichsweise kleinen Rolle. Abgesehen davon ist der Film der Ursprung eines inzwischen uralten Horrorklischees, über das ich selbst heute noch in Filmen wie Sinister die Augen verdrehe
Aber wie der Film hier einiges inszenatorisch falsch macht, macht er an den wichtigen stellen doch so, so viel richtig.
Sissy Spacek ist großartig auf eine Weise die es mir erschwert es in Worte zu fassen. Sie einnahmt die Rolle des fast schon krankhaft schüchternen Mauerblümchens wie keine zweite, und ihr verstörter Blick aus Wut und Trauma, mit dem sie durch den infernalischen Klimax des Films wandert reicht alleine um mir kalte Schauer über den Rücken zu jagen. Aber auch Piper Laurie als ihre fanatische Mutter kann alleine mit ihrem Auftreten für unbehagen sorgen, und sieht man mal von Mr. Travolta ab, tragen auch der Rest der Darsteller Ihre Rollen überaus gut.
Und trotz allem 70er...“Charme“, um es mal sarkastisch auszudrücken, besitzt Brian De Palma's (Scarface, Die Unbestechlichen, Mission Impossible 1) Inszenierung viele absolut meisterhafte Kniffe. Hier wird die Geschichte nicht als vorhersehbarer Horror verkauft, sondern widmet sich dem darunter liegenden Teenager-Drama so vollständig, das ich mir vorstellen könnte das man dem Film mühelos seine Horror-Elemente wegschneiden könnte und weiter ein kohärentes ganzes bekäme, was im Gesamtergebnis den übernatürlichen Terror des letzten Drittels so viel mehr Einschlagskraft gibt.
Und auch diese Parts sind wundervoll inszeniert (insbesondere der Anfang des "Showdowns", der bahnbrechend clever mit der Hilfe von Splitscreens vorbereitet wird), vielleicht nicht „gruselig“ in einem traditionellen Sinne (Fans von Slasherfilmen oder Creature Horror sollten sich hier nicht auf blutige Morde oder schockierende Jump-Scares freuen), aber oftmals schier unerträglich spannend und durchweg Gänsehauterregend auf einer oftmals sehr celebralen Ebene.
Und auch wenn das Ende einerseits ein oben angesprochenes von mir ungeliebtes Horrorklischee salonfähig machte, so ist es auf einer Handlungsebene doch ein überraschend logischer, gut gemachter und Gedanken anregender Abschluss der Geschichte.
Kombiniert man dies mit der Handlung im allgemeinen, die reich an zeitlosen Themen, Motiven und Subtext ist und interessante Charaktere vorweisen, so hat man hier trotz unübersehbarer Schwächen einen verdienten Meilenstein des Genres und meiner Meinung nach durchaus einen Klassiker der Filmgeschichte.
….und jetzt weiß ich wieder warum ich in letzter Zeit so selten meine zuletzt gesehenen Filme niederschreibe, das hat mal wieder lange gedauert zu schreiben ^^. Ich komme ein anderes mal wieder und verspreche schonmal eine klassische Anthologie, eine Finanzkrise, eine Lebenskrise und viele viele Haare ^^.