Aber in dem Fall hat er objektiv recht.
Boing.
Ich finde es ja fast schon etwas respektlos, dass ich eines seiner Videos hier recht flott dekonstruiert habe und dabei zeigte, dass er ebenso ziemlich gerne und häufig Dinge aus dem Zusammenhang reißt, um eine Seite weiter lesen zu müssen, dass er OBJEKTIV Recht hat.
Du brauchst da auch gar nicht weiter drauf eingehen, da wir uns sicher nicht mehr einigen werden und so Energie sparen können. Außerdem will ich auch gar nicht weiter auf die Sexismus-Debatte eingehen, die mMn aber keineswegs vorgeschoben ist, sondern parallel existiert und immer untrennbar mit GamerGate verbunden sein wird. Schließlich begann es mit dem Vorwurf der Vorteilsnahme im Austausch gegen sexuelle Handlung. Ein Vergehen, das immer nur Frauen vorgeworfen wird. Oder hat jemand schon mal gehört, dass sich ein Mann hochgeschlafen haben soll? Der Vorwurf allein ist also schon sexistisch, weil Frauen ständig unterstellt wird, ihre Reize zum Vorteil einzusetzen, aber Männer dabei immer das Opfer sein sollen. Ich habe mich allerdings noch nie als Opfer gefühlt, wenn ich zum Schuss kam. Ihr?
Aber eines noch. Und das möchte ich allen mit auf den Weg geben:
Streicht die Wörter "objektiv" und "Objektivität" aus eurem Wortschatz!
Wir befinden uns beim Thema Videospiele im Meinungsjournalismus, wie bei anderen kulturellen Themen auch. Jede Kritik ist eine Meinungsäußerung. Meinungen sind immer subjektiv. Sie können objektive Informationen enthalten, aber davon gibt es weniger, als viele Glauben. Objektive Informationen sind zu Beispiel der Radius einer Disc oder die Größe der enthaltenen Datenmenge. Ab der inhaltlichen Bewertung dieser Datenmenge wird es aber wieder subjektiv, so wie die gesamte GamerGate Diskussion subjektiv geführt wird.
Hier werden Begriffe wie "Beweis" und "Fakt" wie so oft völlig falsch verwendet, wenn es sich in Wirklichkeit um nicht mehr als ein Indiz oder eine Meinungsäußerung handelt. Das resultiert daraus, dass die Debatte hoch emotional geführt wird und jeder einzelne Mensch (mich natürlich eingeschlossen) dazu neigt, die eigene Meinung zu erhöhen und schnell dazu bereit ist, Meinungen als Wahrheiten zu akzeptieren, die der eigenen entsprechen.
Ein schnelles Beispiel dazu. In den letzten Monaten haben wir oft News gelesen mit dem Inhalt: Spiel X hat auf PS4 1080p, auf Xbox One 900p
Das ist - so wie ich es hier geschrieben habe - eine der sehr seltenen objektiven Informationen im Bereich der Videospiele und sagt natürlich überhaupt nichts über die Qualität des Spiels aus oder die Gründe dafür, warum welche Konsole welche Auflösung hat. Keine Wertung, keine Begründung, nackte Information.
Könnte man also so stehen lassen, wird aber nicht gemacht. Stattdessen entwickeln sich in den Kommentaren sehr schnell Streitgespräche, weil emotionalisierte Menschen in diese nackten Informationen aufgrund der eigenen, persönlichen Prägung viel mehr Informationen hinein legen, als sie tatsächlich enthalten. Manch einer interpretiert dort die Überlegenheit der PS4 hinein, obwohl zu den tatsächlichen Gründen der unterschiedlichen Auflösung sonst keine Information enthalten ist. Manch einer sieht hier einen Angriff auf die Xbox One, obwohl keinerlei Wertung in den simplen Wörtern oben steht.
Manch einer geht noch weiter und sieht darin sogar eine gezielte Schmutzkampagne gegen MS, weil er die Meldung mit weiteren ähnlichen News in Zusammenhang stellt, er persönlich die XBox One aber toll findet und daher vermutet, dass diese Meldungen absichtlich in der Häufigkeit veröffentlicht werden, um das Ansehen der XBox zu beschädigen. Dem Portal wird also unterstellt, es wär mindestens Sony-nah, vermutlich aber korrupt.
Das Beispiel kann hier jeder auf Gamezone nachlesen, hatten wir nämlich in so ziemlich jeder News zum ResolutionGate (was haben Gamer eigentlich immer mit ihren Gates?). Eine anfangs völlig harmlose und weitestgehend bedeutungslose Meldung wird schnell zum brisanten Streitpunkt - nicht etwa aufgrund ihrer tatsächlichen Informationen, sondern durch die persönliche Prägung des Rezipienten. Die zusätzlichen Informationen steckten schon in dem Rezipienten, er hat sie jetzt nur der neuen Information zugeordnet und vermischt, um daraus seine Meinung zu bilden.
Das war jetzt Kommunikationswissenschaft 101. Was ich damit sagen will: Viele der GamerGate-"Beweise" sind nicht mehr als Informationen oder Informationsbruchstücke, die erst durch die Prägung des einzelnen einen weiteren Wert enthalten. Das passiert in Gaming Communities und überall sonst auf der Welt jeden Tag, ist aber keine Grundlage für einen echten Beweis. Der oben angesprochene MS-Freund ist sehr schnell dazu bereit, Meinungen als Wahrheiten zu akzeptieren, die ihm in den Kram passen. Und genauso ist er sehr schnell dabei, Argumente zu überlesen oder umzudeuten, die ihm nicht zusagen.
Viele der angeblich so "harten Fakten" sind nichts weiter als sehr nüchterne Vorgänge, die erst durch viel Interpretation zu einem Skandal werden. Dass man auf Twitter nett zu einander ist, ist doch in erster Linie Zeichen einer funktionierenden Etikette in der Branche, aber noch lange kein Beweis für Korruption und Vetternwirtschaft.
Ich warte immer noch auf echte Beweise, die tatsächlich vor Gericht Bestand haben können.
Damit eines klar ist: Ich bin nicht so naiv nicht zu glauben, dass es Korruption im Journalismus gibt. Es gibt immer irgendwo Leute, die sich was einstecken. Es gibt auch ganz sicher passive Einflussnahme, denn tendenziell spricht man wohlwollender über ein Spiel, wenn man vom Publisher zu einer geilen Präsentation mit dickem Dinner geladen wird. Das hoffen zumindest die PRler und daher machen die das ja auch. Hier ist die persönliche Stärke des Journalisten gefragt.
Ich sehe die bislang vorgetragene Indizienlage aber als zu dürftig an, um tatsächlich jemanden einen Strick drehen zu können. Besonders sehe ich da keinerlei Anzeichen eines weit umfassenden Systems, von dem die gesamte Branche betroffen sein soll. Teils zeugen die Vorwürfe der GamerGater auch einfach von einem mangelnden Verständnis oder falschen Vorstellungen alltäglicher journalistischer Arbeit.
Mehrere Seiten veröffentlichen ähnliche Artikel am selben Tag? Geschenkt. Natürlich reagieren Medien tagesaktuell auf Ereignisse. Und natürlich reagieren sie besonders auf die Berichterstattung des Wettbewerbs. Wenn IGN ein großes Thema hat, muss Kotaku das natürlich auch sofort haben, etc. Ganz normal. Zudem sind die "Death of Gamers"-Artikel beim näheren Hinsehen meist das, was in solchen Zusammenhängen oft schnell zusammengebastelt wird: Ältere Artikel mit bekannten Thesen, die für den Anlass aktualisiert und angepasst wurden. Ähnliche Artikel habe ich vorher oft gelesen, nur interessierten sie da noch niemanden. Es ist kein Hexenwerk, dass die alle am selben Tag auftauchten. Journalisten sitzen nicht abgeschottet in hohen Türmen und machen dort alle ihr eigenes Ding. Sie lesen einander und reagieren aufeinander. Und das sollen sie auch tun.
Oder gar die Veröffentlichung von Pressemitteilungen. Dafür sind sie doch da. Ein großer Teil der täglichen News auf Portalen sind abgewandelte PMs. Spiel X erscheint am XX.XX. - Pressemeldung. Spiel Y bekommt DLC. - Pressemeldung.
Es ist ein Zeichen von Faulheit, wenn die PM unverändert übernommen wird, aber sicher kein Vergehen oder ein Anzeichen der Hörigkeit gegenüber der Industrie. Natürlich nimmt ein gewissenhafter Journalist da vorher die enthaltenen Lobpreisungen raus. Aber journalistische Arbeit beruht nun mal darauf, dass Informationen zugespielt werden. Nicht für jeden Mist ist knallharte Recherche und investigative Undercover-Arbeit notwendig.
Gnaaarrr! Jetzt habe ich wieder meinen Vormittag dafür geopfert! Ich glaube, ich mache eine Gaming Pause für ein halbes Jahr und komme wieder, wenn alles wieder wie gewohnt weiter geht, ohne dass sich irgendwas geändert hat...