Die Frage, ob mit oder gegen den Strom, ist für mich zweit-, dritt-, viertrangig. Was mich viel mehr stört, ist die Tatsache, dass viele Tester/Redakteure die Spiele, die sie nachher beschreiben und bewerten, offenbar gar nicht in erforderlichem Maße gespielt haben. Bei einigen Titeln ist das zugegebenermaßen auch nicht möglich. Ein Endlosspiel wie "Europa Universalis" müsste man theoretisch Wochen spielen, nur, um davon wenigstens einen ungefähren Eindruck gewinnen zu können. Als Privatmann kann ich das auch in meiner Freizeit - und zwar, solange ich will. Aber ein hauptberuflicher Redakteur, der ständig Abgabetermine, den Chef oder die Konkurrenz im Nacken hat und womöglich nicht nur sich selbst, sondern ggf. auch noch seine Familie davon ernähren soll, kann dies leider nicht.
Habe mal irgendwo gehört/gelesen, dass z.B. ein Redakteur der PC Games (gemeint ist das Magazin, das monatlich am Kiosk erscheint) innerhalb von ca. drei Wochen fünf Spiele durchzocken und dazu auch noch fette Artikel schreiben muss. Bei Ego-Shootern mag das funktionieren, aber bei Rollenspielen oder umfangreicheren Strategiegames dürfte dies schon schwieriger werden. Dabei sollte man bedenken, dass solche Leute, Redakteure also, nicht nur testen/schreiben, sondern "nebenher" auch 1000 andere Dinge (Interviews führen, mit Publishern/Entwicklern quatschen, Messen besuchen usw.) um die Ohren haben. Und das bei einer Personaldecke, die - wie in jedem anderen Beruf - immer dünner wird. Das kann ja nicht richtig funktionieren. Und von wirklich umfassenden Informationen kann heute aufgrund der allgemeinen Schnell-Lebigkeit und dieser ganzen Hektik drumherum wohl kaum noch die Rede sein. Natürlich geht dies zu Lasten der Spieler bzw. (potentiellen) Käufer. Die sind dann sauer. Häufig auch zu recht.
Was die allgemeine Bewertung von Spielen betrifft, läuft es immer nach demselben Muster:
- die Grafik muss toll aussehen
- der Sound (einschl. Musik, Synchro etc.) muss sich gut anhören
- die Bedienung/Steuerung sollte leicht von der Hand gehen
- der Rest ist "Nebensache"
Daraus erklären sich dann auch diese z.T. völlig absurden Höchstwertungen (ab 90 % aufwärts), so wie seinerzeit z.B. bei "Doom 3", obwohl der Titel Gameplay-mäßig (zumindest was Spielprinzip und Leveldesign betrifft) absolut hohl war. Aber ein Taktik-Shooter wie z.B. einst "Operation Flashpoint" landete deutlich unter 90 %, nur weil die Grafik nicht so berauschend war, die Steuerung bisweilen etwas fummelig ausfiel und man ja ab und zu auch ein wenig überlegen musste.
Zur Erinnerung: Die PC Action hat "Silent Hill 2" Anfang 2003 eine Wertung von 68 % gegeben. Mit dem Point&Click-Adventure "Syberia" war es ähnlich. Allein die beiden ersten MoH-Addons ("Spearhead", "Breakthrough") erhielten hingegen aus dem Stand heraus über 80 %. Soviel zu der Aussagekraft von Reviews, "Ströme" und Redakteure.