Timerly hat folgendes geschrieben:
Dass Ideen wie eine Ware zu behandeln sind ist eine Praxis, die zwar Think-Tanks und Fortschritt hervorbringt, gleichzeitig aber mehr kostet als die (gleichmäßige) Finanzierung dieser Forschung aus Mitteln der Gesamtheit, die bei Änderung des Urheberrechts frei würden. Dazu muss man sich nur ansehen, dass im Prinzip für jedes Lied von Britney Spears Millionen bezahlt werden. Jetzt ist die Frage, ist diese Kunst genauso viel mehr wert wie die gemeinsame Kunst von 100 Künstlern, die je ein Prozent dieser Summe für ein Lied erhalten würden (gesetzt dem Falle, sie würden für dieses Prozent ein zusätzliches Lied machen und Britney für die 100%)? Die Diskussion hierzu stelle ich mir interessant vor. Wer das Prinzip vom abnehmenden Grenznutzen kennt weiß, was ich meine.
Hi Timerly, erstmal vorneweg: Ich finde das Konzept der Piraten auch interessant - ich finde es auch gut dass die dieses Thema ansprechen, aber ich hoffe einfach darauf, dass eine etablierte Partei, wie die SPD oder die Grünen dadurch irgendwann merken, dass da eine politische Nische (Nerds, wie du sagtest oder auch "young, angry men") entstanden ist, in die sie springen kann, um so ein paar Hunderttausend Wähler (das dürfte wohl das Potenzial der Piraten sein) abzuschöpfen, indem man sich ihre Konzepte teils zueigen macht. Ich hoffe nicht, dass die Piraten in ihrer jetztigen Form an der Regierung teilhaben wird. Die Entwicklung dieser Partei muss man halt abwarten. Ich finde ihre Vorhaben etwas undurchdacht.
Um mal auf deine (teils etwas wirren?) Beispiele da oben zu kommen. Du sagst, dass für ein Lied von Britney Millionen bezahlt werden. Klar stimmt das - aber eine CD von ihr kostet ja auch nicht mehr, als eine CD von Tom Waits, der vielleicht wertvollere Musik macht. Der Konsument zahlt eben den Preis für eine CD - egal ob Tom Waits oder Britney Spears. Es kommt also Präferenzstruktur des Kunden an. Wenn der Kunde lieber Britney hört, dann handelt er ja für sich nutzenmaximal, wenn er Britney kauft und belohnt den Künstler, der ihm gefällt sowie die Unternehmen, die die CD in die Laden gebracht haben, für ihren Erfolg. Von daher ist das System doch gar nicht so schlimm - es bleibt eben dem Kunden überlassen, was ihm lieber ist und jeder zahlt nur dafür, was er auch tatsächlich hören möchte.
Wenn man das ganze jetzt der Marktwirtschaft entziehen sollte und das ganz im Sinne der Piraten (wenn ich das bei dir richtig verstanden habe) durch einen zentralen Fonds, wie bei der GEMA regelt, der immer wieder durch eine Steuer aufgefüllt wird, dann zahlen du und ich auch für Britney und sogar für das, was tomk als "seine Musik" und der Rest der Welt als "Lärm" bezeichnet, obwohl wir das überhaupt nicht hören. Es zahlt auch der, der vielleicht gar nicht an Musik interessiert ist. Zudem hat das System viele Lücken, die nur mit einer Bürokratiemaschinerie, wie in der DDR zu bewältigen wäre. Wer hält mich davon ab, mich als Musiker auszugeben, meinem Hund eine Mundharmoniker vor die Schnauze zu kleben und mit ihm und meinem Klavier auf Tour zu gehen, um so Gebühren abzukassieren? Zudem: Wo ist der Anreiz für einen Musiker, wirklich gut zu sein? Klar, er liebt Musik und so - aber es lässt sich dann ja auch von schlechter Musik ganz gut leben.
Oder um es etwas klarer zu sagen: Es wurde schon von führenden Forschern auf dem Gebiet von Game-Theory und Ökonomik angemerkt, dass in den meisten Fällen das Urheberrecht für einen Wohlstandsverlust (im ökonomischen Sinne) sorgt. Das heißt, uns ginge es insgesamt ohne besser...
VWL oder BWL Student?
Also, dass Modelle wie die Spieltheorie theoretisch ja ganz nett sind, aber so ziemlich überhaupt nicht auf die Realität anwendbar sind, weißt du ja sicherlich auch. Zudem würde mich mal interessieren, welcher der Spieltheoretiker so etwas gesagt haben soll. Möglich wäre es wohl, sowas damit abzubilden, aber wie willst du so etwas Komplexes in einem zweidimensionalen Modell unterbringen und vor allem: wie willst du die Höhe der Auszahlungen für die verschiedenen Strategien bestimmen? Die sind doch immer aus der Luft gegriffen und treffen, wenn überhaupt, dann nur ceteris paribus und nicht in unserer dynamischen Umwelt zu. Ein Beleg an so einem Modell ist also doch eigentlich immer hinfällig.
Aber da du dich ja auch ein bischen in dem Thema auszukennen scheinst: Nimm mal den Property-Rights-Ansatz. Der sagt nämlich tatsächlich das genaue Gegenteil: Wenn du Verfügungsrechte nicht eindeutig zuordnest, kreierst du externe Effekte, für die am Ende die Gesellschaft zahlen muss. In diesem Fall dürfte das die schlechte Musik sein, die uns allen dann von unmotivierten Künstlern entgegenströmt und für die wir durch Abgaben oder Steuern blechen müssen, egal ob wir wollen oder nicht.
Naja, oder wenn du halt darauf bestehst, dass alle Musiker oder zumindest die meisten lediglich dafür arbeiten, um gute Musik zu machen und nicht für Geld (was du nicht tust, wie du oben mit deiner Bemerkung vom abnehmenden Grenznutzen deutlich gemacht hast) - dann nimm halt den Softwarebereich. Kaum einer macht Software nur für das Prestige, das er dadurch bekommt. Ansonsten wäre Unix mittlerweile hochprofessionell und hätte Windows längst vom Thron gekickt. Also, kriegst du da nach dem Piraten-Modell generell eine Pauschale, wenn du Softwareentwickler bist? Dann würde ich ein Programm alle 10 Jahre rausbringen, das total nutzlos ist und am Kunden vorbei entwickelt wurde oder sowas richtiges nerdiges, in das sich ein DAU nicht in 100 Jahren reinfuchsen könnte - warum auch noch Marktforschung betreiben, das Geld kriegt man ja sowieso. Oder geht's danach, wie viele Programme du rausbringst? Dann entwickle ich dir 356 verschiedene Versionen von Pong im Jahr.
Klar gibt es da Möglichkeiten, das mit strikter Regulierung mehr schlecht als recht teilweise in den Griff zu kriegen, aber das wäre a) absolut betrugsanfällig und b) mit enormen Kosten verbunden.
Ich versteh auch nicht, was so schlecht am derzeitigen System ist. Wenn man was haben will, geht man in den Laden (oder online) und kauft sich das. Wenn man etwas nicht haben will, dann kauft man es sich nicht. Erfolg wird eben belohnt. Wenn der Erfolg durch ein riesiges Medienunternehmen gestützt wird, das unheimlich viel Werbung macht, dann ist das halt so - die Leute kaufen die Musik ja trotzdem, weil sie sie gut finden.
Warum soll ich da in einen riesigen Topf einzahlen, aus dem der hinterletzte Techno-DJ bezahlt wird, obwohl die Musik einfach schlecht ist und die gerade mal 87 Leute toll finden, die in seiner MySpace Freundesliste drin sind - und davon ein Viertel sogar nur aus Mitleid?
Also um die Sache Privatsphäre vs. Sicherheit müssen wir uns nicht unterhalten - das sehe ich ungefähr ähnlich. Aber Copyright aufheben und das ganze zentralisiert bezahlen? Gott bewahre...