Die Taube auf dem Dach

djhousepunk

Bekanntes Gesicht
Mitglied seit
21.12.2004
Beiträge
10.334
Reaktionspunkte
248
Und wie versprochen - oder angedroht - hier eine weitere Kolumne von mir aus dem Jahre 2009 welche damals bei LvL Up erschienen ist. Da das Thema DLC immer noch aktuell und die oben genannte Seite leider schon lange offline ist, habe ich mir gedacht, ich veröffentliche diesen Artikel einfach noch einmal hier auf meiner Lieblingsseite. Viel Spaß beim Lesen und kommentieren.


Die Taube auf dem Dach


Ich würde mich durchaus mal als Gamer der alten Schule bezeichnen, habe schon in den frühen 80ern Pixel gejagt und viele Stunden vor dem Monitor oder dem Röhrenfernseher verbracht. Die Worte „64K RAM SYSTEM. READY. 38911 BASIC BYTES FREE“ haben sich quasi in meine kindliche Netzhaut gebrannt. Game & Watch, Vectrex und Commodore sind die leuchtenden Ikonen meiner Kindheit, Sega, Sony, Nintendo, Microsoft lauten die Haltestellen meiner Zocker-Reise und dessen vorläufige Endbahnhöfe heißen Xbox 360 und Playstation 3. Aber ich bin auch schon von Kind auf eine sehr visuelle und haptische Person, die anfassen, sehen und riechen will, auch im Bezug auf mein Hobby Videospiele: Erscheint ein neues Spiel, freue ich mich schon auf dem Weg zum Stammhändler auf den neuen Titel und führe nach dem Kauf gerne noch ein anregendes Gespräch mit dem Inhaber des Ladens meiner Wahl. Zuhause angekommen wird das Auspacken des begehrten Spiels für mich jedes Mal fast schon zum Ritual. Es gibt für mich nichts Schöneres, als den eben neu erstandenen Titel auszupacken, die Zellophan-Hülle knistern und die Verpackung beim Öffnen knacken zu hören. Dieser ganz spezielle Geruch der beiliegenden Spielanleitung, der einem dann entgegen strömt, hat schon fast etwas Betörendes – wie vom Weihrauch benebelt, bin ich sofort nicht mehr ansprechbar, da ich völlig in das Durchlesen der Gebrauchsanweisung, in das Studieren des Booklets vertieft bin. Das Einlegen der DVD oder Blu-Ray in die entsprechende Konsole ist natürlich nicht minder aufregend und erhöht bei mir die Vorfreude enorm.

Und genau hier kommen die herunterladbaren Inhalte, auch DLCs genannt, ins Spiel. Es ist ja bekanntlich nichts Neues, dass die Spiele-Industrie in den letzten Monaten immer öfters auf diese abgespeckte Art des Add Ons gesetzt hat und weiterhin setzt, spart sie sich so doch die Kosten für Verpackung, Rohling, Presswerk und Versand. So wird das aufwändige Retail-Endprodukt immer öfters um eine günstige, virtuelle Version ergänzt und der Händler um die Ecke bekommt Konkurrenz vom Xbox Live Marktplatz, dem Wii-Shop oder dem Playstation Store. Games-on-Demand Dienste wie OnLive gehen sogar noch weiter, setzen vollends auf angebliche Zauberworte wie Kompressions-Algorithmen, Streaming oder Cloud Computing und wollen ganz auf ein physisch greifbares Medium verzichten. Diese Entwicklung weg vom Greifbaren und hin zum Virtuellen sorgte auch schon für Veränderungen am Konsolenmarkt selbst. So setzte das japanische Unternehmen Sony mit der neuen Version seiner tragbaren Handheld-Konsole „Playstation Portable“ voll auf diese neue Art der Verbreitung und verzichtete bei der im Oktober erschienenen „PSP GO!“ ganz auf ein UMD Laufwerk. Folge: die passenden Spiele lassen sich nur noch via PlaystationNetwork Store herunterladen. Der Einführungspreis der „PSP Go!“ entsprach zwar beim Start dem des Vorgängers, trotzdem hätte ich als Käufer irgendwie das komische Gefühl, als würde ich für das gleiche Geld weniger bekommen, als wäre die PSP ohne Laufwerk eine Kalorien befreite „Light“-Version der PSP mit UMD-Schnittstelle - und „Light“-Produkte haben mir noch nie geschmeckt, außerdem stehe ich auf Zucker, auch wenn er dick macht und schlecht für die Zähne ist. Übrigens sind mir Schallplatten auch immer noch lieber als MP3-Downloads, aber das ist eine andere Geschichte.

Und dennoch: Viele Konsumenten sind begeistert, nehmen diese neue Art der Verbreitung und Vermarktung ohne Zögern und sabbernd an. Spiele von daheim aus herunterladen? Voll toll! Im ach so wunderbaren Zeitalter des Internets, wo es ja fast alles umsonst gibt, wenn man mangels Rechtskenntnis und Schuldbewusstsein bereit ist, den legalen Raum zu verlassen, wo man sich alle Kinofilme bereits vor offiziellem Release betrachten und jeden Songtitel ohne monetäre Gegenleistung herunterladen kann, ist es ja auch nicht mehr nötig, seinen Hintern zu heben und die Wohnung zu verlassen. Warum auch? Ist doch auch wirklich nervig - zum Schluss muss man noch mit der Bahn fahren und könnte dabei auf echte Menschen treffen. Diesen gesellschaftlichen Rückzug nennt man in Japan übrigens „Hikikomori“…aber das nur am Rande. Ein Klick ist ja auch viel bequemer als ein Einkaufsbummel, eine kurze Bewegung des rechten Zeigefingers nicht so furchtbar anstrengend wie der lange, mühselige, fast pilgerhafte Gang zum Händler. Eine schöne, neue und bequeme Welt, die sich da offenbart hat!

Doch es gibt auch Gegenstimmen in der Spiele-Welt, Kritiker dieses neuen Systems und sogar erste Reaktionen in der Marktwirtschaft. So konnte Sony in Europa, Australien und Japan bislang lediglich eher verhaltene Absatzzahlen in Punkto PSP Go! vorweisen - ob dies lediglich an der allgemeinen schlechten Wirtschaftssituation oder doch am fehlenden UMD-Laufwerk liegt? Welche Schlussfolgerung man daraus letztendlich zieht, sei jedem selbst überlassen. Sony hingegen scheint sein Fazit schon gezogen zu haben, denn angeblich arbeitet ein Dritthersteller bereits an einem UMD-Laufwerk für die aktuelle Handheld Version und auch ihr Nachfolger, die PSP-4000 wird Gerüchten zufolge wieder das kleine Speichermedium unterstützen.

Und was das Thema „DLC“ angeht: ist es nicht merkwürdig, dass uns die Publisher teilweise bereits eine Woche nach Veröffentlichung des Vollpreis-Spiels einen Zusatzinhalt anbieten? Warum packt man den DLC nicht von Anfang an frei verfügbar auf die DVD oder Blu-Ray? Anscheinend lag er ja schon fertig gekocht und zubereitet im Ofen des Entwicklerbüros. Warum sind nicht alle Level, alle Waffen, alle Rüstungen und Kostüme von Anfang an verfügbar? Das ist ja so, als würde ich beim Händler ein Auto kaufen, bekomme eines ohne Sitze angeboten und der grinsende Verkäufer sagt dann zu mir: „Sitze? Ach, die bekommen sie später, das Auto fährt ja auch ohne.“ Will man da die Kuh namens Kunde etwa mehrmals melken? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Ich kann, wenn überhaupt, nur einen positiven Aspekt aus dem Ganzen ziehen: den zumeist relativ geringen Preis der Zusatzinhalte für die Endverbraucher. Und wenn man dann einen DLC wie „Lost and Damned“ präsentiert bekommt, ein Add-On mit dem Umfang eines Vollpreis-Spiels zu nur einem Drittel des sonst üblichen Preises, könnte ich sogar so etwas wie Verständnis für dessen Käufer aufbringen und selber schwach werden…aber zum Glück hat Rockstar mich davor bewahrt, die dunkle Seite zu betreten und bekanntlich beide Add-Ons im Paket als Retail-Fassung angeboten. Oft aber sind die vom Umfang her zumeist bescheidenen Zusatz-Episoden doch eher so etwas wie die „JA!“-Konsumgüter im Supermarkt: billiger, dafür aber nicht besonders lecker und mit einem faden Beigeschmack. Ich würde dann doch lieber etwas länger warten wollen und dafür eine Episoden-Sammlung mit Missionsumfang jenseits von 8 Stunden im Laden kaufen. Mein geliebtes Hobby ist mir etwas wert, daher zahle ich für eine Retail-Version auch gerne mehr und bekomme dann auch mehr: mehr physisch Greifbares, mehr fürs Auge, mehr für meine Zocker-Seele.

Außerdem kann ich mir einen DLC nicht in den Schrank stellen und schön nach Farben ordnen.
 
Diese Kolumne spricht einem voll aus der Seele; echt gut verfasst! :mosh:
 
(yeah, usernamen wieder gefunden!)

irgendwie regt mich der beitrag total dazu an, was dazu zu schreiben.
kurze antwort: AMEN!
lange antwort: bin absolut der selben meinung. den ersten abschnitt (zum händler des vertrauens spazieren, verpackung aufreissen, knistern lassen, etc) kann ich maximal auf mich selber projezieren. es gibt doch nichts schöneres, als sich ein spiel/add-on aus dem regal zu greifen und nochmal schön n blick auf die rückseite zu werfen (ganz gleich, ob man sich den kauf eh schon gut überlegt hat und sich sicher ist, das ding mitzunehmen).
obwohl der original-beitrag nun schon anscheinend 2 jahre aufm buckel hat, könnte er kaum aktueller sein.
die diskussion "dlc - gut oder...nicht gut" entfacht des letzteren immer öfter. meine stellung ist da ganz eindeutig: "gebt mir verpackungen und cd's/dvd's/blurays/umd's/kassetten...oder was auch immer!" ich möchte die guten alten add-ons. ich fands schon früher immer lobenswert, wenn sich entwickler nach dem eigentlichen launch des spiels weiterhin mit dem spiel beschäftigt haben und dann noch irgendwann zusatzinhalte nachgeliefert haben....auf ner cd/dvd! wenn der umfang stimmt, kann man da auch mal n paar mark springen lassen. mich nervts aber, wenn zusatzinhalte, die zusammengenommen ein add-on hätten sein können, in mehrere bruchstücke zerfetzt werden, nur um den kunden letzendlich beim kauf sämtlicher dlc's beinahe mehr geld aus der tasche zu ziehen, als das eigentliche spiel gekostet hat.

zum thema psp go! hab ich auch noch ein paar wenige worte. hab mir neulich erst wieder ne psp gekauft (hatte noch von "früher" etliche spiele rumliegen und hatte da mal wieder lust drauf). ich hab nicht im traum daran gedacht, mir ne psp go! zu kaufen. klar, hatte ja schon die ganzen umd's hier rumliegen...was will ich da mit ner download-konsole?! aber auch wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte ich auf jeden fall die standard-psp gekauft. einfacher grund: ich lehne es aus prinzip ab, auf ein "monopol" angewiesen zu sein ^^ bei der psp go! wäre es der playstation store gewesen. ein laden. nur eine kaufmöglichkeit....und da muss ich den preis zahlen, der gefordert wird. gerade jetzt seh ich es wieder: im playstation store gibts psp-games zum teil zu nem preis von 30 eus, die ich hier um die ecke für n zehner kriege.
klar, letzendlich geht mit dem wegfall des umd-laufwerks auch ne menge gewicht flöten (für mich der einzige grund, sich vllt ne go! zu kaufen). aber der kauf der normalen psp hat im vergleich zur psp go! eh einen gewichts-zuwachs herbeigeführt: umd-laufwerk + die scheine die ich spare (und die somit im portemonnaie verweihlen dürfen), wenn ich auf die download-titel verzichte und sie lieber hier beim händler kaufe :)

alles in allem hab ich persönlich einfach lieber ne schachtel im regal stehen (die zum teil ja auch echt dufte aussehen können), als einen dlc oder ein vollkommen heruntergeladenes spiel auf der festplatte....alleine schon, weil dadurch wahrscheinlich manche spiele in vergessenheit geraten könnten. vielleicht bin ich auch nur dämlich, aber oft werf ich n blick in mein spiel-gefülltes regal und stelle fest: "hey, das spiel war verdammt gut....mal wieder reinwerfen?" würde mir wohl bei nem komplett runtergeladenem spiel nicht so gehen ^^
ich mags einfach nicht haben, das wir in ein paar jahren nur noch download-only titel haben und mein kleiner software-händler eine aussterbende rasse wird.
PUNKT

p.s.: danke für den beitrag. hat mich mein usernamen + pw wieder besorgen lassen =)
 
DU SPRICHST MIR AUS DER SEELE !!

Kann dir in jedem Wort zustimmen!

Super geschrieben!
 
djhousepunk hat folgendes geschrieben:

Und was das Thema „DLC“ angeht: ist es nicht merkwürdig, dass uns die Publisher teilweise bereits eine Woche nach Veröffentlichung des Vollpreis-Spiels einen Zusatzinhalt anbieten? Warum packt man den DLC nicht von Anfang an frei verfügbar auf die DVD oder Blu-Ray? Anscheinend lag er ja schon fertig gekocht und zubereitet im Ofen des Entwicklerbüros. Warum sind nicht alle Level, alle Waffen, alle Rüstungen und Kostüme von Anfang an verfügbar? Das ist ja so, als würde ich beim Händler ein Auto kaufen, bekomme eines ohne Sitze angeboten und der grinsende Verkäufer sagt dann zu mir: „Sitze? Ach, die bekommen sie später, das Auto fährt ja auch ohne.“ Will man da die Kuh namens Kunde etwa mehrmals melken? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Was ist daran so merkwürdig? Wenn man schon alles auf die disc packt kann man schliesslich nicht mehr extra dran verdienen. Der Vergleich mit dem Auto hinkt auch ziemlich: ohne Sitze wirds nicht nur unbequem sondern auch ziemlich gefährlich. Andererseits braucht kein Mensch eine "Sir Isaac of Clarke"-Rüstung, um Dragon Age 2 zu spielen. In 99% aller Fälle ist dlc relativ überflüssiger Dummfug, den man sich getrost sparen kann. Mein letzter DLC Kauf liegt bestimmt schon Jahre zurück und ich hatte bisher noch nie das Gefühl, irgendwas verpasst zu haben. Ist ja auch nicht so, dass man den Kram, der jetzt als dlc verkloppt wird, in der letzten Konsolengeneration einfach frei Haus bekommen hätte. Da gab es vergleichbare goodies einfach gar nicht erst.

Was die Downloadverteufler sich auch mal vor Augen führen sollten: nur dank dem günstigen download-Vertrieb haben wir eine blühende Indie-Szene wie nie zuvor.
 
Das einige auf Topspiele verzichten, nur weil sie es nicht auspacken und ins Regal stellen können, werde ich wohl nie verstehen. Ich kaufe Spiele um sie zu spielen, und nicht um sie auszupacken, ins Regal zu stellen, zu sortieren, oder was auch immer. Für einige scheint das jedoch weitaus wichtiger zu sein, als die eigentliche Qualität des Spiels.

Was kostenpflichtige Zusatzinhalte betrifft kann ich nur zum Teil zustimmen. Ja, mich nerven ebenfalls die ganzen kleinen DLCs, die zum Start oder kurz danach erhältlich sind, bzw. bereits vor dem Release eines Spiels angekündigt werden. Auf den Großteil davon kann man jedoch getrost verzichten, da sie oft keine relevanten Inhalte enthalten, von mittelmäßiger Qualität sind, oder eine viel zu kurze Spielzeit bieten. Deshalb hatte ich noch bei keinem Spiel das Gefühl, ein unvollständiges Spiel zu spielen.
 
Das Gefühl kenne ich nur all zu gut. Mittlerweile ist es so weit, dass ich nur noch Games kaufe, die ich unbedingt haben muss :devil: Waren es früher mehrere Games pro Monat, hat sich in diesem Jahr nur Dead Space 2 zum Vollpreis ins Laufwerk geschlichen :knockout:
 
Schöne Kolumne, die mir in vielen Teilen aus dem Herzen spricht. Für mich gehört zu meinem geliebten Hobby einfach mehr dazu, als nur der Konsum. Die Hülle, die Anleitung, einfach das gesamte Drumherum.

Hierbei muss man aber natürlich unterscheiden, zwischen "normalen" Titeln und Indie-Games. Für die Indie-Branche ist dies ein Segen und da finde ich auch Downloads in Ordnung und angebracht. Die sind ja auch meistens überhaupt nicht Ziel der Kritik.

Aber genau das ist auch eine gewisse Gefahr. Denn während heute Indie-Games und kleine Arcade-Spiele selbstverständlich als Download erscheinen, könnte genau das in Zukunft auch bei den Retail-Titeln Normalität sein. Und diese schrittweise Entwicklung, die man womöglich gar nicht wahrnimmt, sehe ich kritisch.
 
TommyKaira hat folgendes geschrieben:
Schöne Kolumne, die mir in vielen Teilen aus dem Herzen spricht. Für mich gehört zu meinem geliebten Hobby einfach mehr dazu, als nur der Konsum. Die Hülle, die Anleitung, einfach das gesamte Drumherum.

Mir geht's genauso - downloads sind einfach seelenlos, halt noch ein paar Dateien mehr, die auf der Festplatte herumliegen. Eine möglichst hübsche Pappschachtel im Regel gehört einfach dazu für mich, oder zumindest eine DVD-Verpackung mit Cover zum anfassen, herzeigen, ausleihen. Ich kaufe auch gerne die Collectors Edition, wenn es Gegenwert zum Aufpreis gibt 8).

Vielleicht komme ich auch einfach langsam in ein störrisches Alter, wo man Veränderungen nicht mehr so gerne annimmt :bigsmile:
 
Zurück