Thunk
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Liebe Gamezonis,
ich habe aktuell einen kleinen Kommentar für unsere örtliche (Kieler) Unizeitung, den ALBRECHT, verfasst. Dieser Artikel soll eine wenig bis mittel informierte Studentenschaft ansprechen und sie einmal den Wert von Videospielen in einer heutigen, sie umgebenden Gesellschaft reflektieren lassen.
Jetzt interessiert mich ganz konkret - und die Frage richte ich an euch, die Experten - wie ihr ganz allgemein den Kommentar findet und ob ihr denkt, dass es den "Hans-und-Franz-von-der-Straße-Studenten" damit zu einer ernsthaften Reflektion bewegen kann.
Ich danke im Voraus wärmstens für eure Mühen und euer Feedback.
Hier der Kommentar:
Gewaltporno für die Massen
Über GTA IV und die Vorherrschaft des Nerds in der Gesellschaft
Der Habitus des Nerds kennt mannigfaltige Ausprägungen. Eine seiner Formen, die gesellschaftlich wahrscheinlich am wenigsten Anerkennung erfährt, ist der typisierte Videospiel-Nerd. Er ist ausnahmslos männlich, unförmig, bei dem anderen Geschlecht wenig erfolgreich und als Konsequenz daraus stark pornoaffin. Insbesondere der Gewaltporno, etabliert durch bewusst vulgäre Schlachtepen wie SAW oder HOSTEL freut das Auge des gewaltbereiten Jünglings.
Gerade letzterer Sachverhalt gilt als gesichert, wenn man die aktuelle Jugendschutz-Debatte verfolgt. Wöchentlich schießen neue Konzepte zum Verbot und Unter-Strafe-stellen von Videospielen mit gewalthaltigen Darstellungen wie Atompilze aus dem Boden.
Jedoch offenbart die Diskussion bei näherem Blick eine zwiespältige Dimension, die man aktuell an dem Diskurs über GTA IV nachvollziehen kann.
Es muss konstatiert werden: Der gescholtene Videospieler hat einen ersten Sieg errungen. Denn sein Medium hat aktuell den längsten. Grand Theft Auto IV heißt das Wunderwerk modernen Unterhaltungsdesigns. Erschienen für die Heimkonsolen Playstation 3 und Xbox 360 verkaufte sich das Videospiel innerhalb einer Woche nach Erscheinen insgesamt 6 Millionen Einheiten in Europa, den USA und Australien. Damit ist GTA IV nicht nur das umsatzträchtigste Videospiel aller Zeiten, sondern hängt zudem Blockbuster wie den letzten Harry-Potter-Roman und Spiderman 3 im Rennen um das beliebteste Unterhaltungsmedium locker ab.
Das reicht, um selbst die allseits geschätzte BILD-Zeitung fragen zu lassen: Warum ist dieses Videospiel das erfolgreichste aller Zeiten? Dazu muss gesagt werden, dass BILD damit einen Paradigmenwechsel vollzieht. Noch der Vorgänger GTA San Andreas galt dort als Paradebeispiel für die Verführungen eines Killerspiels, bei dem es Punkte gibt, für das besonders brutale Ermorden und Vergewaltigen. Die relative Brutalität verschweigt BILD auch diesmal nicht, der Schwerpunkt liegt neuerdings jedoch bei endlosen Spielmöglichkeiten und der positiv konnotierten realistischen Spielwelt.
Woher kommt nur dieser Gesinnungswechsel, fragt sich vielleicht der Außenstehende. Ist es den beeindruckenden Verkaufszahlen zu verdanken und dem damit einhergehenden gesellschaftlichen Einfluss zu verdanken, der die neue Akzeptanz evoziert? Ist Moral käuflich? Auf Zeiten, in denen der Wähler nicht mehr an der Urne, sondern an der Kasse ansteht, um seine Stimme abzugeben, mag das sicherlich zutreffen. Nur sind wir bereits in diesen Zeiten angelangt? Möglich. Für den Moment bleibt festzuhalten, dass der Nerd sich auf dem Weg befindet, dem vermeintlichen Normalo den gesellschaftlichen Rang abzulaufen. Und wem würde man es mehr gönnen?
ich habe aktuell einen kleinen Kommentar für unsere örtliche (Kieler) Unizeitung, den ALBRECHT, verfasst. Dieser Artikel soll eine wenig bis mittel informierte Studentenschaft ansprechen und sie einmal den Wert von Videospielen in einer heutigen, sie umgebenden Gesellschaft reflektieren lassen.
Jetzt interessiert mich ganz konkret - und die Frage richte ich an euch, die Experten - wie ihr ganz allgemein den Kommentar findet und ob ihr denkt, dass es den "Hans-und-Franz-von-der-Straße-Studenten" damit zu einer ernsthaften Reflektion bewegen kann.
Ich danke im Voraus wärmstens für eure Mühen und euer Feedback.
Hier der Kommentar:
Gewaltporno für die Massen
Über GTA IV und die Vorherrschaft des Nerds in der Gesellschaft
Der Habitus des Nerds kennt mannigfaltige Ausprägungen. Eine seiner Formen, die gesellschaftlich wahrscheinlich am wenigsten Anerkennung erfährt, ist der typisierte Videospiel-Nerd. Er ist ausnahmslos männlich, unförmig, bei dem anderen Geschlecht wenig erfolgreich und als Konsequenz daraus stark pornoaffin. Insbesondere der Gewaltporno, etabliert durch bewusst vulgäre Schlachtepen wie SAW oder HOSTEL freut das Auge des gewaltbereiten Jünglings.
Gerade letzterer Sachverhalt gilt als gesichert, wenn man die aktuelle Jugendschutz-Debatte verfolgt. Wöchentlich schießen neue Konzepte zum Verbot und Unter-Strafe-stellen von Videospielen mit gewalthaltigen Darstellungen wie Atompilze aus dem Boden.
Jedoch offenbart die Diskussion bei näherem Blick eine zwiespältige Dimension, die man aktuell an dem Diskurs über GTA IV nachvollziehen kann.
Es muss konstatiert werden: Der gescholtene Videospieler hat einen ersten Sieg errungen. Denn sein Medium hat aktuell den längsten. Grand Theft Auto IV heißt das Wunderwerk modernen Unterhaltungsdesigns. Erschienen für die Heimkonsolen Playstation 3 und Xbox 360 verkaufte sich das Videospiel innerhalb einer Woche nach Erscheinen insgesamt 6 Millionen Einheiten in Europa, den USA und Australien. Damit ist GTA IV nicht nur das umsatzträchtigste Videospiel aller Zeiten, sondern hängt zudem Blockbuster wie den letzten Harry-Potter-Roman und Spiderman 3 im Rennen um das beliebteste Unterhaltungsmedium locker ab.
Das reicht, um selbst die allseits geschätzte BILD-Zeitung fragen zu lassen: Warum ist dieses Videospiel das erfolgreichste aller Zeiten? Dazu muss gesagt werden, dass BILD damit einen Paradigmenwechsel vollzieht. Noch der Vorgänger GTA San Andreas galt dort als Paradebeispiel für die Verführungen eines Killerspiels, bei dem es Punkte gibt, für das besonders brutale Ermorden und Vergewaltigen. Die relative Brutalität verschweigt BILD auch diesmal nicht, der Schwerpunkt liegt neuerdings jedoch bei endlosen Spielmöglichkeiten und der positiv konnotierten realistischen Spielwelt.
Woher kommt nur dieser Gesinnungswechsel, fragt sich vielleicht der Außenstehende. Ist es den beeindruckenden Verkaufszahlen zu verdanken und dem damit einhergehenden gesellschaftlichen Einfluss zu verdanken, der die neue Akzeptanz evoziert? Ist Moral käuflich? Auf Zeiten, in denen der Wähler nicht mehr an der Urne, sondern an der Kasse ansteht, um seine Stimme abzugeben, mag das sicherlich zutreffen. Nur sind wir bereits in diesen Zeiten angelangt? Möglich. Für den Moment bleibt festzuhalten, dass der Nerd sich auf dem Weg befindet, dem vermeintlichen Normalo den gesellschaftlichen Rang abzulaufen. Und wem würde man es mehr gönnen?