CharLu
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Ganz spontan muss ich sagen: Tolles (Kunst)Projekt mit Herz, Verstand und (wie auch im Text zu finden) mit dem nötigen Augenzwinkern zu sehen - gefällt mir! Aber lest und guckt einfach selbst:
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Kunstprojekt "Becoming German"
Kindheit spenden mit Pippi & Ahoj-Brause
von Kristina Debelius
Winnetou, Pippi Langstrumpf und Ahoj-Brause: Erinnerungen an eine deutsche Kindheit, die viele hier lebende Ausländer nicht haben. Im Internet kann man diese Erinnerungen jetzt spenden. Das Ziel: "Becoming German".
Wie Pippi Langstrumpf wollten wir sein, eine Collie-Hündin wie Lassie haben und als Winnetou starb, haben wir alle geweint. Erinnerungen an eine deutsche Kindheit in den 70er Jahren, die die 1971 geborene Neuseeländerin Joanne Moar nicht hat. Seit elf Jahren lebt die Künstlerin in Deutschland, spricht fließend Deutsch, aber so richtig deutsch fühlt sie sich nicht. "Es gibt immer noch viele Punkte im Alltag, wo man merkt, dass man nicht deutsch ist, z.B. wenn man regelmäßig sein Visum erneuern muss oder wenn die deutschen Freunde von ihrer Kindheit erzählen, dann kann ich meistens nicht mitreden."
4711 und Nordseestrand
Um das zu ändern, sammelt sie jetzt Kindheitserinnerungen und zwar in einer Datenbank im Internet. "Becoming German" heißt das Kunstprojekt, bei dem man seine Kindheit entweder spenden oder eine fremde empfangen kann. Wer sein Geburtsdatum, seine Wohnsituation und die Anzahl seiner Geschwister eingibt, bekommt eine authentische Kindheit ausgespuckt, wie man sie auf dem Land, in der Großstadt oder in einem Dorf hätte erlebt haben können. Da ist vom Schokoladenwettessen und der Reise nach Jerusalem auf dem Kindergeburtstag die Rede, von den "Drei Fragezeichen" oder Pippi Langstrumpf, vom Badeurlaub mit den Eltern an der Nordsee oder dem besonderen Geruch der Großmutter, die nach Kölnisch Wasser roch. "Die Leute haben ein großes Erzählbedürfnis. Die ältere Generation erzählt viel über Krieg und Vertreibung, bei den Jungen liegt der Fokus mehr auf medialen Sachen, Fernsehen, Lieblingsbücher oder Platten", erzählt Moar.
"Scharlih! Mein Bruderrrr!"
Mit einer mobilen Erinnerungsstation geht sie auch auf Wanderschaft durch deutsche Innenstädte, Parks oder Bauernhöfe. Hier baut sie dann einen kleinen Klapptisch auf Rollen und ihr Laptop auf und wartet, dass Leute vorbeikommen, um ein Stück Kindheit zu spenden oder zu empfangen und sich damit vielleicht ein bisschen "deutscher" zu fühlen. "In erster Linie ist das Ganze natürlich ein Kunstprojekt und ein Augenzwinkern ist auch dabei. Aber natürlich steckt auch die Frage dahinter, ab welchem Punkt man Deutsche ist?" - so Moar. In der Kindheit liegen schließlich die Wurzeln der Identität. Und wer über seine Kindheit erzählt, gibt auch einen Teil seiner Identiät preis. Noch sind etwa die ostdeutschen Kindheitserinnerungen etwas unterrepräsentiert, da Moar bisher verstärkt durch den Westen getingelt ist. Aber Joanne Moar sieht ihr Projekt als "work in progress" und will es laufend erweitern.
Auch wenn die recycelte Patchwork-Kindheit natürlich keine echte ersetzen kann, so hilft sie zumindest dabei, das "Deutschsein" ein bisschen mehr zu verstehen. Und wenn die Deutschen dann wieder einmal mit glänzenden Augen und feurigem Blick "Scharlih! Mein Bruderrrr!" rufen, dann weiß die Künstlerin Joanne Moar immerhin, dass hier der Indianerhäuptling mit dem französischen Akzent gemeint ist.
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