G
gyroscope
Guest
Hier mal ein alter Kinect-Artikel von mir, der es vor einem Jahr nicht zur Veröffentlichung auf der Hauptseite geschafft hat. Ich finde, er hat noch eine gewisse Aktualität, und liest sich witzig... Viel Spass
Microsofts Wunderkamera Kinect
Weltwunder der Spiele-Innovation oder langweilige WII-Kopie?
Lest den Kommentar unseres Autors und teilt uns Eure Meinung mit!
Kommentar von Andreas Peter (20.06.2010)
Gespannt saßen wir alle letzten Montag vor dem Gamezone-Liveticker, als Microsoft sein brandneues Spieleinterface Kinect (aka 'the artist formerly known as Natal') im Rahmen der großen E3-Pressekonferenz endlich der breiten Öffentlichkeit vorstellte. Mittlerweile hat sich der Bühnennebel gelichtet. Wir hatten Zeit, uns durch alle Pressemeldungen, Vorführungen und Videos zum Thema Kinect zu arbeiten, die vergangene Woche aufgelaufen sind. Unbestritten war Kinect in der Präsentation von Microsoft das wichtigste Thema.
Nun lasst uns doch mal gemütlich auf der Zockercouch zurücklehnen und rekapitulieren, was wir wirklich über Kinect erfahren haben und darüber spekulieren, wie sich dieses Produkt in Zukunft für uns Spieler entwickeln könnte.
Ich versuche mal, meine persönliche Meinung über Microsofts Kinect in einem kurzen Satz zusammenzufassen:
Hmmm.
Verdammt kurzer Satz, richtig. Es ist aber nicht irgendein "Hmmm.".
Stellt Euch vor dem geistigen Ohr ein "Hmmm" vor, das klingt wie der gesammelte Einsatz von 50.000 gleichzeitig voller Inbrunst geblasener Vuvuzelas beim Schlusspfiff eines imaginären 7:1 Kantersiegs Südafrikas gegen Spanien im kommenden WM-Finale 2010. Also ein lautes, Hmmm. Jetzt denkt Euch noch eine kritisch hochgezogenen Augenbraue zum Hmmm, dann habt ihr die richtige Vorstellung von meinem Hmmm zum Thema Kinect.
Seit ihrem Eintritt in den Konsolenmarkt vor gut zehn Jahren haben Microsoft mit ihren XBOX-Produkten vieles richtig gemacht. Sie haben westliche Egoshooter, Rollen- und Strategiespiele, wie wir sie früher nur auf der PC-Plattform kaufen konnten, erfolgreich in die Konsolenwelt portiert. Sie waren dabei sogar so erfolgreich, dass ihre ehemalige Leadplattform Windows-PC weltweit gesehen langsam in die Bedeutungslosigkeit zu versinken droht. Microsoft hat der Konsolero-Gemeinde auch das Internet-Multiplayer-Gaming gebracht. Stabil, mit Sprachkommunikation und systemübergreifend, dabei sogar mit einem wirtschaftlich tragenden Abomodell "XBOX-Live" solide finanziert. Selbst engagierte Fanboys der Sony- und Nintedokonsolen haben von Microsofts Markteintritt profitiert, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft und durch den Kampf um Marktanteile profitierten in erster Linie die Spiele.
Mit der Ankündigung von Kinect (Natal) letztes Jahr weckte Microsoft Hoffnung, dass es sich dabei um ein Produkt mit änlichem Potential wie XBOX-Live handeln könnte. Die von der hauseigenen Gallionsfigur Peter Molyneux vorgestellte Spielestudie "Milo" brachte auch uns Hardcore-Gamern die Machbarkeit völlig neuer Interaktionskonzepte nahe. Ebenfalls versprochen wurde uns endlich eine richtig gut funktionierende Steuerungsmöglichkeit für Echtzeit-Strategiespiele abseits siebenundzwanzigmal belegter Steuerungstasten. Sogar eher witzig anmutende Ideen, z.B. bei einem Projekt Gotham Racing der Zukunft vielleicht zusätzlich zur Padsteuerung mit den käsigen Gamerfüssen vor der Wohnzimmercouch direkt Gas und Bremse bedienen zu dürfen, hörte sich zumindest unterhaltsam an und hätte sicher zum ausprobieren eingeladen.
Was aber haben wir nun, nach langer Zeit des Wartens, vorgestellt bekommen? Kurz und bösartig: Erstmal nur ein Haufen Kopien älterer WII-Spiele in dezent höherer Bildschirmauflösung. Irgendwie ist das schon recht enttäuschend.
Sonys Konkurenzprodukt MOVE gibt sich ja wenigstens nicht mal die Mühe, davon abzulenken, einfach eine 1:1-Kopie des WII-Controllers zu sein. Einen eigenen Namen für den Subcontroller für die linke Hand wird sich der große Teil der Spielerschaft vermutlich nicht mal merken, sondern im Spieleladen einfach einen MOVE-Nunchuck fordern. Zumindest hat Sony für seinen Zauberstab ein eigentümliches Design analog eines beliebten Hausfrauenspielzeugs und - man halte sich fest - es gab ernsthaft Demos von Coregames wie Resident Evil 5 und dem neuen SOCOM zu sehen, die man mit Move steuern können wird. Der informierte WII-Spieler wird gähnend einwerfen, dass es schon lange eine WII-Ausgabe von Resident Evil 4 gibt, die tatsächlich auch viel Spaß mit der Bewegungssteuerung bietet und das beste Resi 4 sein dürfte, dass man kaufen kann. Aber immerhin Leute, es gibt bald Playstation 3 Coregames, die das neue MOVE wirklich unterstützen.
Bei Microsofts Präsentation sehen wir leider nur WII-Sports, äh pardon, Kinectic-Sports. Oder Kinect Adventures, überraschend ähnlich zu Sports Islands auf der WII. Ein Schlauchbotrennen
á la Mario Kart. Coregames? Nichts in Sicht, außer der wiederholten Ankündigung, Funktionen von Fable 3 mit Kinect steuern zu können. Kinectic-Sports & co sind mit Sicherheit nette Spielchen, für die Kernspielerschaft der XBOX ist aber nichts dabei. Leider ist auch keine handfeste Ankündigung von Drittherstellern in Bezug auf echte Spiele in Sicht- und Hörweite. Sicher ist es nett, das Dashboard auch mal mit Sprachkommandos zu steuern, aber ein echter Ersatz für die gute alte Fernbedienung wird das für langjährig konditionierte Coachpotatos wie uns so schnell nicht werden.
Zusätzlich verunsichert den Spielekenner der Umstand, dass Microsoft das Gerät offensichtlich nur ganz ausgewählten Pressevertretern vorführte und es ansonsten am liebsten im Messe-Glaskasten stehen hatte. Böse Zungen behaupten, es könnte daran liefen, das die Kinect-Technologie angeblich stand heute mit bösen Eingabeverzögerungen (auch als gemeine Lags" bekannt) zu kämpfen habe, die sie für Spiele, in denen blitzschnelle Reaktion wichtig ist, noch untauglich scheinen lässt. Ganz zu schweigen davon, dass Microsoft sich weigert, einen Preis für das kleine schwarze Wunderkästchen zu nennen. Das lässt doch darauf schließen, dass sich an den Gerüchten von einem Preisetikett von 150 US-Dollar doch etwas dran sein könnte. Eine ordentlich hohe Summe, wenn man bedenkt, dass eine neue komplette XBOX 360-Konsole in der Grundausführung auch nicht weniger kostet. Dazu weiß man als Industriekenner, das die Casualkunden sich nicht unbedingt auf Zusatzequipment für Ihre Konsolen stürzen: Die durchaus gelungene Erweiterung Wii-Motion Plus für die WII-Fernbedienung wurde beispielsweise letztes Weihnachtsgeschäft von Nintendo schlussendlich mit Kampfpreisen in dem Markt gedrückt, damit sie Verbreitung finden sollte.
Nun fragt sich der gemeine Spieler doch, ob sich in Microsofts Kinect-Strategie etwas grundlegendes geändert haben sollte. Die Besitzer der XBOX 360 sind größtenteils Hardcore-Spieler, die fett produzierte Egoshooter, Actionspiele und RPGs kaufen. Ursprünglich klangen Microsofts Ideen von Kinect so, dass man diesen Coregamern neue Eingabemöglichkeiten für ihre geliebten AAA-Titel geben und dabei noch deren Freundinnen und Muttis mit WII-ähnlichen Bewegungsspielen vor die Konsole locken wollte. Zielgruppenerweiterung nennt man das wohl in Marketingkreisen. Hier hätte man wohl auch ein Zusatzequipment für 150 Dollar absetzen können - warum kein cooles Gadget kaufen und noch die Frau vor die XBOX bringen, deren Beziehung zur heimischen Konsole wir normalerweise mit 'nicht ganz unbegründeter Eifersucht' beschreiben würden
Nun scheint Microsoft aber der Meinung zu sein, die Kernkundschaft außer Acht lassen zu können, und in erster Linie nur die Casualspielerschaft bedienen zu wollen. Die Menschen also, die ab und an ein wenig TV-Tennis daddeln und Mario hüpfen lassen möchten. Dürften diese Leute aber nicht doch längst beim Original, der WII von Nintendo, zugeschlagen haben? Lange genug ist die WII am Markt, und selbst die WII-Abverkäufe stagnieren. Warum sollten sich diese Leute eine XBOX 360 und zusätzlich teures Kinect-Zubehör holen. Wegen der höheren Auflösung auf ihrem Fernseher?
Die Zukunft von Kinect sind schwer vorauszusagen. Ich denke, entweder MS holt die Hardcorespielerschaft wieder ins Boot, oder aber Kinect wird es sehr schwer haben, sich auf dem Markt der Bewegungssteuerung zu platzieren.
Hmmm.
Was meint Ihr dazu? Wir möchten gerne Eure Meinung wissen. Wohin will Microsoft mit Kinect, und wo seht ihr das Produkt in zwei Jahren?
Diskutiert hier in unserem Gamezone-Forum