Hollywood hat sich die Finger verbrannt ....

CharLu

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Ein überaus interessantes Interview zum Thema Filme und deren Versoftung ...

Graham Hopper ist Chef-Spielentwickler im Disney-Konzern. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE spricht er über das Zusammenwachsen von Film, Fernsehen und Videospielen in den globalen Marketing-Feldzügen der Zukunft - und erklärt, warum aus Filmen oft so schlechte Spiele werden.

SPIEGEL ONLINE: Warum sind Videospiele zu Filmen oft so schlecht?

Graham Hopper: Aus mehreren Gründen. Oft reicht die Zeit nicht: Spiele haben einen Entwicklungszyklus von 18 bis 30 Monaten. Wenn man da etwas abzwackt, macht man Fehler - beim Konzept, bei der Ausführung, oder man testet nicht richtig. Dann wird ein schlechtes Spiel daraus, selbst wenn alle anderen Schritte ordentlich durchgeführt wurden. Manchmal macht man sich auch nicht genug Gedanken darüber, wie viel Freiheit man einem Spieldesigner geben sollte.

SPIEGEL ONLINE: Wird die Arbeit der Spieldesigner nicht genügend respektiert?

Hopper: Viele Menschen, die Filme machen, gehen traditionell davon aus, dass der Film die Quelle einer Marke, einer Franchise ist - und jede Abweichung von diesem Prinzip ein Problem. Ein Teil des Problems hängt auch mit den Entscheidungen der Publisher zusammen, der Spiele-Verlage: Sie investieren nicht genug Geld. Sie sehen solche Umsetzungen als einfache Transaktion mit niedrigem Risiko und glauben, dass es den Verbraucher nicht kümmern wird. Oft wissen die Lizenzinhaber nicht genug oder haben nicht die richtigen Leute, um zu beurteilen, ob ein Publisher die Franchise entsprechend sorgfältig behandelt. Manche Leute sagen: "Ich werde diese Lizenz nur für ein paar Jahre haben - also hole ich so viel Geld heraus wie möglich und stecke so wenig hinein wie möglich." Mit so einem Ansatz kann man keine langlebigen Marken aufbauen. So etwas kann eine komplette Industrie langfristig schädigen.

SPIEGEL ONLINE: Spiele werden schon seit langem immer filmischer. Hollywood wäre eigentlich ideal positioniert, um hervorragende Spiele zu machen. Das gelingt Hollywood aber nicht - warum scheitert man daran?

Hopper: Das hat historische Gründe. Hollywood hat das Potential von Spielen sehr früh erkannt. Aber sie sind auf den Zug aufgesprungen, bevor sie wussten, was sie nicht wussten: Sie verstanden die visuelle Seite - aber nicht die interaktive, das Gaming selbst. Also haben sie das Aussehen überbetont und das Gameplay vernachlässigt. Die meisten haben sich die Finger verbrannt, Geld verloren und am Ende entschieden, sich aus dem Business zu verabschieden. Wenn sie sich die Spieleindustrie heute ansehen, erscheint sie ihnen attraktiv - das ist ja ein Wachstumsgebiet. Aber sie haben nicht die Fähigkeiten, die man für ein interaktives Erlebnis braucht. Wir dagegen sind im Geschäft geblieben. Wir hatten die visuellen Fertigkeiten, und wir haben eine Menge zusätzlicher Spiel-Fähigkeiten ins Haus geholt. Jetzt haben wir beides. Die anderen könnten das auch - aber sie müssen von Null anfangen, jetzt ist es viel schwieriger.

SPIEGEL ONLINE: Was ist der Status von Buena Vista Games innerhalb des Disney-Konzerns? Ist das ein kleines Nebenprojekt, das genug verdient, um die Unternehmensspitze zu beeindrucken?

Hopper: Ich verrate keine Geheimnisse, wenn ich sage, dass wir nicht zu den größten Abteilungen gehören. Wir setzen 450 bis 500 Millionen Dollar im Jahr um - das ist global gesehen für unseren Konzern nicht von Bedeutung. Aber ich denke, wir können in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Nicht nur finanziell, sondern auch als Quelle neuer Franchises, und als Möglichkeit, unsere Franchises für junge Leute relevant zu erhalten. Wenn wir etwas brauchen, um das Interesse an einer Marke wachzuhalten - und die einzige Methode dazu ist, einen Film für 100 oder 200 Millionen Dollar zu machen -, dann ist das eine sehr teure Entscheidung. Wenn wir im gleichen Zusammenhang 15 oder 20 Millionen Dollar für ein Spiel ausgeben, um eine Franchise am Leben zu erhalten, dann wird das zu einer sehr viel interessanteren Möglichkeit.

SPIEGEL ONLINE: Disneys Topmanager interessieren sich also für Videospiele?

Hopper: Wir bekommen als Wachstumsbereich für die Zukunft eine Menge Aufmerksamkeit. Vor kurzem erst hatten wir unseren Konzernchef Bob Eiger bei uns, er hat sich unsere verschiedenen Produkte angesehen. Er beteiligt sich an der kreativen Prüfung der Projekte, er kommt alle paar Monate vorbei. Und das tut er nicht unserer Größe wegen, sondern wegen der Bedeutung, die er Videospielen beimisst. Sie erlauben es uns, in Märkte einzudringen, und unsere Franchises zu Menschen zu bringen, die wir sonst nicht erreichen könnten. Weil es zu wenige Fernseher gibt zum Beispiel, oder weil wir dort keine Fernsehsender besitzen. Spiele sind unmittelbar relevant für Kinder und junge Leute überall auf der Welt, und die Kreativität, die wir in diesen Bereich stecken, erlaubt es uns, unsere Marken zu pflegen.

SPIEGEL ONLINE: Spiele sind also eine Methode, das Publikum am Haken zu halten - um sicherzustellen, dass sie etwa auch den nächsten "Fluch der Karibik"-Film unbedingt sehen wollen?

Hopper: Das nächste "Fluch der Karibik"-Spiel wird auf der gesamten Trilogie basieren, aber darüber hinausgehen. Es gibt neue Figuren, neue Orte, eine Geschichte, die in die Welt der Piraten passt. Ausgangspunkt war die Frage: "Wie leben Piraten eigentlich?" Jeder der Filme basiert auf Orten und Charakteren, die dann ausgebaut wurden. Das Spiel tritt gewissermaßen einen Schritt zurück und setzt all das auf neue Weise wieder zusammen. Die Leute lieben diese Piratenmythologie, insbesondere die Art, wie diese Mythologie in den "Fluch der Karibik"-Filmen dargestellt ist. Ihnen also eine Spielerfahrung zu geben, die ihnen erlaubt, da einzusteigen und daran Spaß zu haben - das hat nichts mit am Haken halten zu tun, das erlaubt ihnen einfach, diese Welt zu erforschen, weil sie es gern möchten.

SPIEGEL ONLINE: Wie sähe denn eine Marketingstrategie für eine Marke aus, die ein Spiel zum Ausgangspunkt hat?

Hopper: Jede Franchise muss zuerst in einem Bereich erfolgreich sein. Harry Potter hat als Buch angefangen, "Star Wars" als Film, "Pokemon" als Videospiel. Wir hoffen zum Beispiel, dass unser geplantes Spiel "Spectrobes" als Videospiel sofort Erfolg hat. Aber wir müssen auch im Hinterkopf haben, was passiert, wenn es so erfolgreich wird, wie wir hoffen: Wie können wir daraus Kapital schlagen?

SPIEGEL ONLINE: Wie könnte das zum Beispiel gehen?

Hopper: Für "Spectrobes" zum Beispiel haben wir ein Skript schreiben lassen. Normalerweise stellt man für ein Spiel für (die tragbare Spielkonsole) Nintendo DS keinen Drehbuchautor ein. Aber wir wollten die Charaktere gleich mit Leben erfüllen, um zu sehen, wozu sie gut sind. Wir haben ein paar Autoren mit Fernseherfahrung eingestellt, die ein Skript und Hintergrundgeschichten für die Figuren entwickelt haben. Wir haben das unseren Fernsehleuten gezeigt und jetzt tauschen wir Ideen darüber aus, wie man die Charaktere und die Geschichten weiterentwickeln könnte. Eine TV-Serie daraus zu machen, wäre jetzt keine nachträgliche Erweiterung, sondern etwas, das sich natürlich aus der Geschichte und dem Gameplay ergibt, die wir entwickelt haben. Zustätzlich haben wir sechs zweiminütige "Webisodes" entwickelt, kurze Filme, die die Hintergrundgeschichten der Figuren erklären. Die werden wir auf verschiedene Weise - auf unseren Webseiten, über Mobiltelefone und so weiter - in die Hände der Verbraucher bringen, bevor das Spiel überhaupt herauskommt, um ihr Interesse zu wecken. Ohne durchzudrehen und hundert Millionen Dollar für einen Film oder dreißig Millionen für eine Fernsehserie auszugeben, kann man so mit einer Reihe kleinerer Maßnahmen die Basis für künftiges Franchise-Wachstum schaffen.

SPIEGEL ONLINE: Ist ein Spiel als Ausgangspunkt günstig, weil es vergleichsweise billig herzustellen ist?

Hopper: In gewisser Weise ja. Wir können bei niedrigeren Investitionssummen auf mehr Pferde setzen. Aber das hat auch seine Kehrseite: Wenn Sie 100 Millionen Dollar für einen Film ausgeben, werden Sie 20 oder 30 Millionen in die Vermarktung stecken. Für das Marketing eines Spiels werden wir dagegen keine 20 oder 30 Millionen ausgeben. Das Umsatzpotential ist ebenfalls nicht das gleiche. Aber noch einmal: Wir riskieren ja auch keine 100 Millionen Dollar in diesem Fall.


Über Graham Hopper:
Graham Hopper ist seit 2002 Chef von Buena Vista Games, dem Spiele- Arm des Disney- Konzerns. Zuvor hat Hopper in verschiedenen anderen Disney- Abteilungen gearbeitet, unter anderem in den Bereichen Consumer Products und Spielzeug. Hopper hat an der Universität Kapstadt in Südafrika Betriebswirtschaft studiert. Bevor er bei Disney anfing, hat er drei Jahre für das Analysten- Unternehmen Price Waterhouse in Kapstadt gearbeitet.


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