So, habe zwecks der Gaude mal eine grobe Übersetzung für all diejenigen verfasst, deren Englisch nicht so weit reicht, denn der Text ist wirklich amüsant.
Seht den Tatsachen ins Auge: Kinder sind ein echtes Mysterium. Wie all die Superheldenklamotten, aus heiterem Himmel von unsichtbaren außerirdischen Wohltätern gespendet, kommen sie ohne Gebrauchsanweisung daher - Dennoch erwartet man von uns, dass wir sie irgendwie zu funktionierenden Lebensformen heranziehen mit nichts als dem sehnlichen Wunsch vor Augen, sie nicht die selben Fehler machen zu lassen, die man an uns begangen hat. Dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip folgend fällt Elternschaft in eine Reihe mit Sprengstoffentsorgung, der Steuerung eines Space Shuttles oder Schlangendressur: Man hat nur einen Versuch - und ich persönlich setze mein Geld auf die Schlangen.
Damals, im Jahre 2001, einige Tage nach dem Release von "Grand Theft Auto III" , war ich gerade damit beschäftigt, die spielinternen Tiefen zwischen satirischem Humor und Sandkastenspielchen auszuloten, als ich durch einen Anruf, die Haustürklingel oder irgend eine andere Belanglosigkeit kurz abgelenkt wurde. Ich stellte nur noch eins fest: Eben saß ich noch allein im Wohnzimmer, zusammen mit meinem vorsorglich beschäftigten 3 Jahre alten Sohnemann und "G.T.A." - im Augenblick darauf war dem nicht mehr der Fall. Der Platz war absolut kleinkindsicher, Steckdosen abgedeckt, jegliche Reste von Bleifarbe längst von Testkind Alpha verschluckt (tat wirklich weh, ihn dahinscheiden zu sehen), ergo sollte doch es im Rahmen des Annehmbaren liegen, den Nachwuchs für maximal 1,67 Minuten und innerhalb eines Elternentfernungsradius von knapp 6 Metern mal eben allein zu lassen. Sollte die bemessene Zeit auch nur geringfügig länger ausfallen, Unglück würde mit Katastrophen hofieren und die Blagen fänden sich bald darauf mit einem gewaltigen Kater und keinerlei Erinnerungsvermögen in einem schäbigen Motelzimmer wieder. Er kehrte also innerhalb des bemessenen Zeitraums wohlbehalten zurück, ließ es auf nichts ankommen, der Vater aller Väter, meine Wenigkeit.
Ihr könnt euch also mein Entsetzen - ja, meinen sprichwörtlichen Super-GAU - vorstellen, als ich erkennen musste, dass dieses kleine Schlitzohr heimlich still und leise sein "Blue's Clues"-Sing-Along-Radio gegen meinen PS2-Controller ausgetauscht hatte und sich munter durch die Straßen von Liberty City wurstelte. Hätte ich ihn Tequila aus Dora-The-Explorer's
(eine Zeichentrickfigur) Bauchnabel schlürfen sehen, es hätte mich wahrscheinlich weniger kalt erwischt.
Ich warf mich also in einem dieser unendlich langsam scheinenden Elternreflexe - während dessen ich mal eben das Leben, das Universum und den ganzen Rest geistig auseinanderklamüsern und nebenbei die exakte chemische Zusammensetzung von Spam und Joan Rivers ermitteln konnte - auf den Controller. Man stelle sich das in etwa so vor: Einer schwingt sich in Seattle auf eine Schildkröte, um einen Freund in Miami davon abzuhalten, einen bösen Fehler zu begehen... Sagen wir mal, "Boom Boom Rocket" herunterzuladen. So etwa dürfte die tödliche Anspannung dieser Szene ausgesehen haben.
Ich war gerade dabei, mich in bester Im-Auftrag-Seiner-Majestät-Manier vor den Bildschirm zu werfen, um meinen Sohnemann vor den schlimmsten Auswüchsen an menschlicher Verkommenheit zu schützen, seit sich irgendwo in einer Garage mal 4 Typen einfanden und sich "White Lion" nannten, als ich nach einem kurzen Blick auf den Fernseher inne hielt. Er gurkte nicht nur durch die Straßen von Liberty City, er schien selbiges ziemlich gut zu beherrschen, versuchte den anderen Verkehrsteilnehmern auszuweichen und vor Allem: Er vermied gewissenhaft, geradezu akribisch, Fußgänger anzufahren. Hie und da streifte er mal den einen oder anderen, da er für das Erlernen des Bremsvorgangs wohl ebenso lange brauchte, wie von seinen Spielsachen loszukommen, aber alles in Allem machte er seine Sache wirklich nicht übel.
Fasziniert von dem Geschehen tat ich genau das, was wohl jeder Vater ohne Berater in einer solchen Situation getan hätte: Ich ließ ihn weiterspielen und schaute zu.
Ja, da waren sie, die Explosionen. Verfolgungsjagden mit der Polizei. Viele Zwischenstops im Krankenhaus. Es ging nicht ohne Frust, aber die meiste Zeit lachte er über meine entsetzten Reaktionen, wenn er in bester Steve-McQueen-Manier herumheizte und nicht einmal während der recht kurzen Zeit, die er mit dem Spiel verbrachte, versuchte er, jemanden zu verletzen, fragte er nach der Bedienung von Waffen oder wie man wen oder was in die Luft jagt. Stolz feierte er seine unzähligen Beinaheunfälle und strampelte mit seinen in Schlafanzughosen steckenden Beinen, begeistert vom Rausch der Geschwindigkeit und seinen neu entdeckten, aufkeimenden Fähigkeiten. Was dem Erlebnis schließlich ein Ende setzte, war nicht meine beständige väterliche Besorgnis, sondern vielmehr seine eigene Enttäuschung, als er über einen belebten Gehweg pflügte und geradewegs in eine Hauswand donnerte. Ab dem Moment an, als ihm bewusst wurde, dass er Menschen verletzte, da war bei ihm der Ofen aus. Achselzuckend gab er den Controller zurück und widmete sich wieder seiner "Blue's Clues"-Karaoke-Session.
Nachdem ich rasch seine Wirbelsäule überprüft (Japp, immer noch gerade) und seinen Kopf auf erste Spuren von hervorbrechenden Hörnern untersucht hatte (noch nichts zu spüren), seufzte ich erleichtert.
Dass mein Sohn sechs Minuten "Grand Theft Auto III" unbeschadet überstanden hat, dürfte wohl außer Frage stehen. Er befindet sich immer noch in seiner fortwährenden Entwicklung, aber eins steht fest: Sollte es irgend ein Spiel geben, dass ihn von jemandem, den ich respektiere und bewundere in einen von Gozer's
(Der Bösewicht aus "Ghostbusters" ) sabbernden Handlangern verwandelt, dann deshalb, weil ich ihm einige wichtige Bestandteile meines elterlichen Nährbodens vorenthalten habe. Letztend Endeswird unser Charakter nicht davon bestimmt,
womit wir spielen, sondern offenbart sich darin,
wie wir spielen.
Was ich an diesem Tag über meinen Sohn erfuhr, mag vielleicht nicht weiter erwähnenswert sein, doch heute, zehn Jahre später, kenne ich ihn immer noch. Ich weiß, dass "I-Ninja" das erste Spiel war, das er alleine zu Ende brachte, mittlerweile bereits zum vierten Mal, und dass er sich in den Levels von "PSychonauts" und "Super Mario Sunshine" genauso gut zurechtfindet, wie in den Räumlichkeiten unseres eigenen Hauses. Ich weiß, dass wir "Tansformers" (Japp, den Michael Bay-Streifen) fünf Mal im Kino gesehen hatten und er nicht das geringste Interesse an der "Deceptions"-Versoftung für den Nintendo DS gezeigt hatte. Ich weiß, dass er mich in "Guitar Hero II" fertig macht, wenn wir "Strutter" spielen, aber er null Chance hat, wenn's um "Message in a Bottle" geht. Ich weiß, dass sein Liebling unter den "Power Rangers" immer der rote war und dass er ein meisterlicher "Bionicle"-Bastler ist, mit Geduld und Sorgfalt und einem Sinn für das Lösen von Problemen gesegnet. Und ich weiß, dass in seinem Herzen kein Platz ist für willkürliche Boshaftigkeit und Zerstörung.
All das weiß ich über ihn, ich kenne ihn, weil ich ihn beim Spielen beobachte. Klar, das ist nicht immer einfach oder spaßig, unzählige Stunden von "Hey, Papa, guck mal!" können einem die Nerven regelrecht zu Staub zermahlen, das kann ich euch sagen.
Schnell hat man die Geduld verloren, aber gottseidank kommt ebenso schnell der großartige elterliche Ausgleicher, der sich Perspektive nennt, zurück zu einem und er flüstert dir eine unwiderlegbare Wahrheit: Nämlich, dass mein Sohn eines Tages nicht mehr bei mir wohnen wird und ich jeden Augenblick mit ihm genießen sollte, solange ich Gelegenheit dazu habe.
Also kralle ich mir die Plastikklampfe, oder wir kritzeln allerlei bescheuerte Bildchen im Pictochat, nur einen halben Meter auseinander sitzend, oder ich schaue ihm dabei zu, wie er einen kompletten Planeten in "Super Mario Galaxy" leer räumt. Ich schaue ihm dabei zu, weil es das ist, was schlaue Papis tun sollten: Wir sehen, was für Menschen aus unseren Kindern geworden sind, wir klammern uns an das, was wir greifen können und alles andere kann uns so was von egal sein.