Protokoll eines Wiesn Besuchs
Protokoll eines Wiesn Besuchs
Ja, da habe ich mich mal wieder nach erfolgreicher, 3-jähriger Abstinenz gezwungenermaßen auf die Wiesn getraut. Am Tag der deutschen Einheit,03. Oktober 2003, durchwachsenes Wetter (
vielleicht sind ja da nicht so viele
)
14:30h: Enter the U-Bahn Kreillerstraße, Münchner Osten. 2 Stationen fahren, umsteigen in die U5 Richtung Theresienwiese. Bisher noch verhalten, wir schmunzeln über die multikulturellen Lederhosen und Landhausstil Fetzen, deren Träger und Trägerinnen in unverständlichen Landessprachen angeregt quasseln. Sitzplatz ist gesichert, steht mir in meinem Alter auch zu.
Die Fahrt dauert länger, da die Bahn immer wieder in den Tunnels zwischenstoppen muß. Ab Hauptbahnhof kein Zustieg mehr möglich. Dann die nette Durchsage: Der Ausgang zur Theresenwiese ist hoffnungslos blockiert. Bitte auch die anderen Ausgänge benutzen. Okay, tausende von Lemminge gehen mit größerem Umweg zum Ziel der Begierde.
Ca. 15:00h: Doch gut angekommen. Es hat aufgehört zu regnen. Wir entschliessen uns, erstmal unverfänglich zu bummeln. Grinsen über noch mehr bayerngestylte Schönheiten, verstehen immer noch kein Wort. Versuchen dabei, zu überschlagen, wie viel Euros hier jede Minute über den Tisch gehen, da die Hightech Wegelagerer mit Ihren Mördermaschinen jede Menge Zulauf und lange Warteschlangen haben. Sehen bereits jetzt etliche Sani-Teams mit Ihren gelben Wägelchen (liebevoll Banane genannt) ihre mehr oder weniger leblose Fracht wegkarren. Dazu noch etwas, später.
15:00-15:45h : Lachhafter Versuch, in eines der Zelte zu kommen. An jedem Zelt große Plakate: Wegen Überfüllung kein Einlass. Beim Augustiner Zelt spielen sich mittelalterliche Dramen ab, nur dass der Rammbock der Belagerer und das flüssige Blei der uniformierten Zeltherren fehlen. Ein (vermutlich) Italener läuft mir mit glasigen Augen in den Bauch.
16:30h: Weiter über die Wiesn geschlendert. Das Wetter wird besser. Oh Wunder, einen Platz ergattert im Armbrustschützenzelt, im Aussenbereich. Die Konversation ist gut, links Pfaffenhofener und rechts Münchner. 2 gemütliche Maß Bier (natürlich auf eine sehr gute Essensgrundlage) und weiter geht es.
Irgendwie ist das alles seltsam hier, und nicht echt. Die letzten 2 Jahre war ich nicht auf dem größten Volksfest der Welt, aber versäumt habe ich nichts. Schnell mal 5,00 Euro für eine nostalgische Fahrt 5er Looping verblasen, und wieder auf Wanderschaft. Bin mal wieder fasziniert von den Traditions Schaustellern wie Beim Schichl, Teufelsrad, Toppogan oder den Teufelskerlen. Wenigstens was mit Geschichte.
Ca. 19:00h ein sehr interessanter Blick hinter die Kulissen, wie man ihn nicht alle Tage hat;
Im Behördenhof in der Nähe der Bavaria. Hier ist, in vielen Containern, das Hauptquartier von Feuerwehr, Polizei und den Sanis untergebracht. Die gesamte Wasserwacht Feringasee schiebt heute Sani-Dienst, daher ist es als Mitglied ein Leichtes, an den schwarzuniformierten Wächtern vorbeizukommen.
Nicht zu beschreiben, was sich hier abspielt: Im Minutentakt werden die Wägelchen mit ihren gelben Plastiküberzügen herangekarrt, immer mit einem Team von 4 Sanitätern. Insgesamt sind an dieser Station 9 Teams parat, die dann später auf 16 Stunden Dienst ohne Pause zurückblicken dürfen. Das Repertoire ist groß: komatöse Alkoholleichen, zum Teil mit Kabelbindern an der Bahre fixiert; Schwächeanfälle, Kreislaufzusammenbrüche, Drogis, und alle Arten (das en gros bildend) an Schürf-, Platz- und Schnittwunden. Meist folgt kurz darauf der Maßkrugschläger im Polizeigewahrsam. Ziemlich laut hier und noch mehr Blut; da wir nicht stören wollen, gehen wir nach 20 Minuten wieder. Jedoch, mein größter Respekt vor diesen Helfern. Wieder zielloses Bummeln.
20:15h wieder zurück zum Armbrustschützenzelt, wieder ein Platz draussen. Mass 3 und 4,
links Polen, rechts Italener. Laut. Ein Blick auf den Boden macht mich temporär um 4,50 Euro reicher, so viele Münzen liegen in Griffweite.
Ca. 22:00h Flucht, es eskaliert. Keine Lust auf Rempeleien oder Bierduschen. Leider kann man das prächtige Lichtermeer nicht so ganz genießen, der Slalom zwischen Müllhaufen, Glasscherben, Kotzehaufen und ferngesteuerten Besoffenen verlangt größte Konzentration.
Nach Verzehr eines durchaus leckeren 40cm Hotdog mit viel Zwiebeln noch eine Attraktion angesteuert den PowerTower, den mit 60m zur Zeit höchsten FreeFall. 4,50 Euro für 15 Minuten Anstehen und 60 Sekunden Fahrzeit, und es war langweilig
Ok. Noch Besuch bei ein paar Buden (Mandeln, Nüsse, glassierter Apfel und Schokofrüchte für die Lieben zu Hause besorgt), eine Fischsemmel verzehrt und Abmarsch. Kurz vor dem Haupttor werden wir noch angehalten und angemacht von 5 total stracken weiblichen Wesen der finstersten Reservebank, die sich unterhaken wollen mit Satzfragmenten wie Wo isches Käferzelt und Habts ihr Banderl für a Box ? Erfolgreich stehen gelassen, ab in die U-Bahn, und heim sogar mit Sitzplatz.
Zusammenfassung: das langt wieder für die nächsten 3-4 Jahre. Positiv war, dass mich der Besuch ausser den Mitbringseln nicht gekostet hat, ich war eingeladen.
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